…Wenn das Leben grad zu allem schweigt,
dir noch eine Antwort schuldig bleibt,
dir nichts andres zuzurufen scheint als Nein.
Wenn der Sinn von allem sich nicht zeigt,
sich tarnt bis zur Unkenntlichkeit,
wenn etwas hilft mit Sicherheit, dann Zeit.
Es geht vorbei, es geht vorbei.
Wenn die Angst dich in die Enge treibt,
es fürs Gegenhalten nicht mehr reicht
du es einfach grad nicht besser weißt,
dann bleib, es geht vorbei.
Hey, sei nicht so hart zu dir selbst,
es ist ok wenn du fällst,
auch wenn alles zerbricht,
geht es weiter für dich.
Andreas Bourani trifft es in seinem Lied „Hey“ ziemlich genau, was ich in den letzten beiden Tagen gefühlt habe.
Nachdem ich am Freitag erneut eine schlechte Nachricht bekommen habe, stelle ich mir die Frage nach dem „Warum“ immer öfter! Nein, auch der Sinn zeigt sich mir gerade nicht!
Ich bin müde, erschöpft,… Ich weiß nicht, woher ich die Kraft zum kämpfen nehmen soll.
Ja, irgendwie geht es weiter. Irgendwie…
Meine „HIGH-5“ vom Samstag
- Nachdem Papa mich aus der Klinik abgeholt hat, bin ich auf einen Sprung in meine Wohnung gefahren, um ein paar Klamotten zu holen. Und was fische ich da aus dem Briefkasten? Eine zauberhafte Postkarte von dir, liebe Claudi! Ich freue mich schon drauf, wenn du mir die Brücke zeigst und wir zusammen Hand in Hand dort laufen!
- Nachmittags war Zeit für Soulfood: ich hatte so Lust auf ein Eis. Manchmal ist das Leben dann doch ein Wunschkonzert und meine Papa ist zur Tanke gefahren und hat mir ein Magnum Mandel geholt. Das tat meiner Seele gut!
- Ich kämpfe diese Tage sehr mit Schmerzen. Das macht mein Körpergefühl nicht gerade besser. Da ist der Körper nur noch lästig. Ich versuche dann, ihm irgendetwas Gutes zu tun, damit er nicht nur auf den Schmerz reduziert ist. Deswegen habe ich mir einen wunderschönen Zopf flechten lassen. Den Schmerz hat es nicht weggezaubert, aber es gab etwas, was ich an meinem Körper mochte.
- Als ich nachmittags im Liegestuhl im Garten lag, drehte sich in meinem Kopf alles: Änste, Verzweiflung, Erschöpfung,… vor einiger Zeit habe ich begonnen, mich dann bewusst auf etwas zu konzentrieren, was mich vom Kopfkino ablenkt. So habe ich mein Handy geschnappt und habe einen kleinen Streifzug durch den Garten gemacht, auf der Suche nach schönen Fotomotiven. Habe einige fabelhafte Motive gefunden. Es war höchst spannend, mit den Krücken im Blumenbeet rumzustacksen. Für Außenstehende sicherlich ein lustiger Anblick!
- Eigentlich wollte ich früh ins Bett gehen, aber es zog sich dann doch wieder alles etwas. So lag ich erst um 23 Uhr in den Federn und war kurz davor meine Augen zu schließen, als du, liebe Claudia mir von deiner Idee schriebst. Auf einmal waren wir so mitten im Gespräch, die Müdigkeit war wie weggepustet. Was soll ich sagen? Eine Stunde haben wir ein so brilliantes, tiefgründiges Gespräch geführt! Danke dafür! Das hat mir wieder gezeigt, wie nahe du mir stehst!
- Gestern war es so warm, dass ich die Balkontüre und das Fenster weit aufgerissen habe. Irgendwann begann es zu regnen, ein leiser Wind ging und zog mit einem Hauch immer wieder an mir vorbei. Ich mag das!
Meine „HIGH-5“ vom Sonntag:
- Nachdem die Nacht sehr kurz und nicht erholsam war, bin ich um 9 Uhr gerädert aufgewacht. Nach dem Frühstück war ich immernoch total erschöpft und müde. Sonst hätte ich jetzt wohl trotzdem irgendetwas gemacht, aber heute habe ich mal auf meinen Körper gehört und habe mich nochmal ins Bett gelegt. Normalerweise kann ich tagsüber nicht wirklich schlafen. Heute habe ich aber tatsächlich nochmal bis zum Mittagessen geschlafen. Und ich freue mich, dass ich dem Bedürfnis nachgegangen bin.
- Kennt ihr das, wenn ihr unruhig geschlafen habt und irgendwie nicht wirklich „fresh“ seid, dass eine einfache Dusche das Körpergefühl um Welten verbessern kann? Duschen war leider nix, da die OP-Naht nicht nass werden durfte. Aber Not macht erfinderisch: hab mich dann in die Badewanne gesetzt und im Sitzen geduscht! Danach ging es mir sehr sehr viel besser. Noch was Schönes angezogen (statt der Jogginghose), von Mama nochmal einen Zopf flechten lassen und schon ging es mir besser.
- Ich hatte heute von sovielen lieben Leuten Besuch, das würde eigentlich schon die ganzen High-5 ausfüllen und noch viel mehr. Mein Bruder, meine Schwägerin und mein kleiner Neffe waren da, meine Herzensfreundin Biggi mit ihrer kleinen Maus und ihren Eltern. Soviel Liebe! Soviel Wärme! Biggis Mama hat mir einen Rhabarber-Streusel-Kuchen gebacken, mein süsser Neffe hat mir ein zauberhaftes Geschenk mitgebracht (eine „Alles-wird-gut“-Tasse, einen Ton-Schutzengel, Schokolade, ein Hochhaus aus Bügelperlen, Taschentücher, ein total lecker riechendes Duschgel). Es war wirklich ein wunderschönes Nachmittag, auch wenn es mir körperlich gar nicht gut ging. Ich konnte es trotzdem sehr genießen.
- Irgendwie hatte ich auf einmal das Bedürfnis darüber zu sprechen, was gerade in mir vorgeht. Ich merkte, dass mir die Tränen im Hals stecken blieben und nicht rauswollten. Ich habe mich dann mit Biggi in den Garten verzogen und wir hatten ein so unendlich gutes Gespräch. Ich konnte ihr alles sagen, von meinen Ängste, meinen Zweifeln,…ich konnte endlich weinen. Und mir ist nochmal bewusst geworden, was ich jetzt aus dieser Situation lernen kann: ich habe einige Glaubenssätze im Kopf, die nicht gerade nett über mich denken, mich kasteien, unterdrücken,… Und jetzt ist die Chance, mich gegen sie zu wehren. Naja, was heißt Chance? Ich muss mich dagegen wehren, wenn ich den Kampf gegen den Krebs gewinnen will. Das haben mir die Ärzte in der Klinik mit aller Deutlichkeit gesagt: wenn mein Körper nicht bald einiges an Reserven bekommt, pack ich die Therapie nicht. Es tat gut, mal darüber zu sprechen: was da in meinem Kopf rumgeistert und wie schwierig es ist, dagegen anzukämpfen! Das ist mir nochmal ganz deutlich geworden! Und ich bin so unendlich dankbar, dass ich Biggi an meiner Seite habe. Auch ihre Eltern…ich bekomme von ihnen soviel Wärme und Herzlichkeit. Sie tragen mich ein Stück weit, geben mir Halt!
- Sophia und Luce! Ja, die beiden kleinen Mäuse kriegen einen extra Punkt hier! Wenn ich das Baby oder mein Zwergi in meiner Nähe habe, da vergesse ich irgendwie…Da schwappt die kindliche Leichtigkeit auf mich über. Hach, wie ist mir das Herz aufgegangen, als Luce irgendwann total verschmiert mir Erde aus dem Garten zurückkam und so gelacht hat. Oder als Sophia auf meinem Arm lag und mich angelächelt hat!
- Gerade in dem Moment, wo ich diesen Post abschließen wollte, zieht hier ein Gewitter über die Stadt! Der Regen klopft an die Scheibe und es riecht gut. Ach, das mag ich…
Morgen beginnt eine neue Woche. Ich habe einige wichtige Termine, vor denen ich Angst habe. Gleichzeitig sind sie aber auch eine Chance!
Ich nehme mir für die Woche vor, ganz bewusst auf meinen Körper zu hören, was er braucht! Es ist gerade schwierig, die Balance zwischen „ablenken“ und „konfrontieren“ zu finden. Aber ich kann mich jeden Tag neu darin üben! Genauso wie ich mich jeden Tag, vielleicht sogar jede Stunde dafür neu entscheiden kann, mich gegen die alten Glaubenssätze zu wehren und mir Gutes zu tun!
Ich falle jetzt ins Bett und versuche noch ein paar Seiten in meinem neuen Buch zu lesen!
Liebe Claudia: DANKE! Ich bin immer wieder sprachlos… 🙂